• So. Mai 19th, 2024

Habeck legt Konzept für Industriestrompreis vor

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) will mit milliardenschweren Hilfen den Industriestrompreis senken. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Michael Kappeler/dpa)

Um Unternehmen und Jobs in Deutschland zu halten, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck günstigere Strompreise für die Industrie. Der Grünen-Politiker schlägt dazu staatliche Hilfen vor – im Volumen von bis zu 30 Milliarden Euro. Habeck legte ein Konzept für einen zweistufigen Industriestrompreis vor. Ziel ist es, wettbewerbsfähige Strompreise sicherzustellen.

Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände fordern seit langem einen Industriestrompreis. Befürchtet wird, dass Unternehmen wegen der im internationalen Vergleich hohen Strompreise in Deutschland Produktion ins Ausland verlagern.

«Die energieintensiven Unternehmen sind die Basis der deutschen Industrie und damit unseres Wohlstands», heißt es in einem Papier Habecks. Viele dieser produzierenden Unternehmen, etwa der Chemie-, Stahl-, Metall-, Glas- oder Papierindustrie, lieferten die Grundstoffe für die Produkte, mit der die deutsche Industrie international erfolgreich sei.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise habe diese Unternehmen sehr hart getroffen. «Der Energiepreisschock gefährdet akut Deutschlands Wohlstand und seine starke industrielle Basis.» Es sei mit den Energiepreisbremsen gelungen, die Lage in Deutschland zu stabilisieren. «Das Erreichte dürfen wir jetzt nicht gefährden. Deutschland braucht seine Grundstoffindustrien genauso wie neue Zukunftsindustrien.»

«Transformationsstrompreis» langfristig geplant

Habeck will langfristig einen «Transformationsstrompreis». Die Industrie soll von günstigem Strom aus erneuerbaren Energien profitieren. Maßnahmen dazu, etwa mehr Flächen für Windräder, brauchten aber Zeit, um zu wirken und dauerhaft die Versorgung energieintensiver Unternehmen mit erneuerbarem Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen zu garantieren.

Deswegen soll es in einer Zwischenphase bis 2030 einen «Brückenstrompreis» geben von 6 Cent pro Kilowattstunde für einen «klar definierten» Empfängerkreis, der aus öffentlichen Mitteln finanziert werden müsse.

«Die deutsche Industrie hat sich auf den Weg gemacht und ist bereits dabei, ihre Prozesse umzustellen, die es für eine klimaneutrale Produktion weltweit braucht», sagte Habeck laut einer Mitteilung des Wirtschaftsministeriums. «Auf diesen Weg müssen wir unterstützen, denn dieser Weg sichert uns auch in Zukunft einen starken wettbewerbsfähigen Standort mit nachhaltigen Arbeitsplätzen.»

Kosten des Industriestrompreises

Die Kosten eines Industriestrompreises hänge wesentlich von der weiteren Entwicklung der Marktpreise ab, heißt es in dem Papier. Nach aktueller Lage ergebe sich für den Zeitraum nach Auslaufen der Strompreisbremse ein Finanzbedarf bis 2030 von rund 25 bis 30 Milliarden Euro. Das Geld soll aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds kommen.

Dieser in der Corona-Pandemie errichtete Fonds wurde in der Energiekrise reaktiviert, um deren Folgen abzufedern. Finanziert werden mit bis zu 200 Milliarden Euro vor allem die Strom- und Gaspreisbremse. Wegen sinkender Preise könnte die Finanzierung der Bremsen aber deutlich günstiger werden.

Die rechtlichen Hürden für die Nutzung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds seien hoch, heißt es im Papier. «Eine verfassungsrechtlich saubere Lösung erfordert zwingend neue parlamentarische Beschlüsse.»

Umstrittener Industriestrompreis

Ein Industriestrompreis ist in der Regierungskoalition umstritten. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat Vorbehalte. Auf direkte staatliche Hilfen zu setzen, sei «ökonomisch unklug» und widerspreche den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft, schrieb er in einem Gastbeitrag für das «Handelsblatt». Lindner hatte sich auch schon gegen eine Öffnung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds ausgesprochen.

Der Brückenstrompreis soll nach Habecks Konzept nur auf 80 Prozent des Verbrauchs Anwendung finden, um Effizienzanreize zu schaffen. Bedingungen sollen unter anderem Tariftreue und eine Standortgarantie sein. Der Brückenstrompreis solle «komplexe Wertschöpfungsketten und gute Arbeitsplätze» erhalten, die Grundlage für die Ansiedlung der Industrien «von morgen» schaffen und den Rahmen für die schnelle Umstellung auf klimaneutrale Produktionsweisen setzen.

Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte, ein Industriestrompreis sei ein wichtiges Thema für den Industriestandort Deutschland. «Daher kommt es auch sehr auf die genaue Ausgestaltung an. Wir schauen uns das Konzept konstruktiv an und prüfen den Vorschlag. Eine Frage haben wir aber: was sagt eigentlich der Finanzminister dazu? Es ist schon bemerkenswert, dass dieses Konzept angesichts der Wichtigkeit des Themas nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wurde.»

Von Andreas Hoenig, dpa